Samstag, 21. Mai 2016

{Geschichte - Weltkrieg - Schicksal} Das verdrängte Kapitel

Hallo Leute!

Ich werde sicherlich mit zu den letzten gehören, die sich mit Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges persönlich sprechen kann - und ich habe das auch ausgiebig getan, schließlich gehörten meine Großeltern zu jenen Deutschen, die an den Folgen des Krieges sehr stark zu leiden hatten - sie kamen aus dem Sudetenland.

Nun wurden diese Geschichten schon sehr ausführlich aufgearbeitet. Bisher verdrängt wurden aber die vielen Tausend Selbstmorde, die verübt wurden - vor allem am Ende des Krieges. Ganze Familien und Dörfer löschten sich selbst aus.

Florian Huber hat dieses verdrängte Kapitel nun in seinem Buch aufgearbeitet.

Kind, versprich mir, dass du mich erschießt
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Daten
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Autor: Florian Huber
Verlag: Piper
ISBN: 3492308988
Preis: 11€
Taschenbuch, 304 Seiten


Inhalt
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In Form von Augenzeugenberichten und Tagebüchern und anderen Dokumenten arbeitet Florian Huber die Geschichte verschiedener Selbstmorde auf. Damit beginnt er mit dem kleinen Ort Demmin bei Anklam im heutigen Mecklenburg Vorpommern. Dort töteten sich vor während und nach dem Anrücken der Front insgesamt mehr als 600 Menschen - egal ob Apotheker oder Tierarzt, egal ob Flüchtling oder Eingeborenen. Die Menschen schluckten Gift, gingen ins Wasser, erhängten sich - und häufig nahmen sie ganze Familien mit, kleine Kinder, Säuglinge - alles aus Angst vor den Russen oder aufgrund bereits erlebter Vergewaltigungen und Gewalt.

Von Demmin ausgehend geht Huber der gesamten Selbstmordwelle nach, die von Königsberg auszugehen scheint - ein Pfarrer in Berlin spricht dann erstmals von einer Selbstmordwelle vor allem im Ostbereich.

Im Westen gibt es bei weitem weniger Selbstmorde - und die zumeist aus ganz anderen Beweggründen - meist nicht aus Angst sondern aus Schuldgefühl. Hier sterben meist irgendwelche sehr Regimetreuen Nazigrößen.

Ergänzt wird das Ganze durch einige der wenigen Aufnahmen von Tatorten, meist gemacht von Fotografen der Militärs.


Fazit
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Obwohl ich mich doch sehr häufig mit dem Thema Weltkriege beschäftigt habe, war ich mir dem Ausmaß überhaupt nicht bewusst - ganze Ortschaften begingen Selbstmord - versammelten sich beim Jäger, der zunächst alle erschoss und am Ende selbst Gift nahm. Und obwohl ich vor allem die Geschichten meines Großvaters kenne, der in polnischer Gefangenschaft war und anschließend aus seiner Heimat vertrieben wurde. Meine Oma dagegen, die die Vertreibung als junge Mutter erlebte (mein Opa war ja nicht da), verlor nur selten ein Wort.

Huber arbeitet die persönlichen Geschichten anhand von diversen Quellen - anhand von Abschiedsbriefen, Tagebüchern und persönlichen Dokumenten besonders intensiv und eindringlich auf, so dass es mir erstmals bewusst wurde, welche Verzweiflung geherrschft haben muss, damit eine Mutter mit ihren zwei kleinen Töchtern ins Wasser geht und sich ertränkt. Oder dass der OB von Leipzig, seine Frau und seine Tochter tot und schon wächsern im Büro im Rathaus abgelichtet werden.

Von mir gibt es 5 Sterne.

In diesem Sinne

Eure Anke

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