Mittwoch, 6. April 2016

{Gegenwartsliteratur - Tschechien - Monolog} Verstörend

Hallo Leute!

Das Thema "Wutbürger" ist ja in unserer Gesellschaft allgegenwärtig - frustrierte Helden, die früher mal von größerem geträumt haben... Und bekannt ist auch, dass das Problem in den ehemals kommunistischen Staaten umso stärker ist. In Prag gibt es auch solche Viertel, in die man als klassischer Tourist gar nicht kommt - in die Plattenbauviertel - da wo auch Vandam lebt.


Nationalstraße
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Daten
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Autor: Jaroslav Rudis
Verlag: Luchterhand
ISBN: 3630874428
Preis: 14,99€
Broschiert, 160 Seiten


Inhalt
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Vandam lebt das klassische Leben eines der Helden der samtenen Revolution. Damals, als die kommunistischen Regierungen eine nach dem anderen ins Wanken geraten ist, war Vandam ein junger Polizist aus der Vorstadt, aus der Prager Plattenbausiedlung.

Doch heute ist Vandam gar nichts - er ist einer der größten Verlierer der Stadt - zwar schafft er, so wie er sagt, 200 Liegestützen täglich am Stück, doch er wurde wegen übler Gewaltexzesse aus dem Polizeidienst entlassen. Und inzwischen sympathisiert er relativ offen mit dem Nationalsozialismus, sein Wahlspruch lautet:

»Ich bin ein Römer. Kein Nazi. Warum sollte man in Europa nicht mit dem römischen Gruß grüßen dürfen? Ich bin ein Europäer. Ihr etwa nicht? Heil dem Volk! Heil Europa! Neger raus. Zigos raus. Sozialschmarotzer raus. Schwuchteln raus. Böhmen den Tschechen.«

Und Vandam gibt uns - oder eigentlich seinem Sohn - Einblicke in den Kopf eines Verlierers in der Prager Vorstadt, der zwar glaubt, kein Nazi zu sein (was er häufiger betont) aber doch sehr mit der Ideologie sympathisiert.


Fazit
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"Ich bin kein Nazi, aber..." - wie oft hört man das in Zeiten der Flüchtlingskrise. Und Jaroslav Rudis gelingt es auf sehr eindrucksvolle Art, einen Einblick in die Gefühlswelt eines Menschen zu geben, der ein offenes Problem mit der Regierung und vor allem mit Ausländern hat - aber natürlich kein Nazi ist.

Dieser intensive Monolog lässt tief in die Seele von Vandam blicken aber auch in die Seele einer Gesellschaft, in der solche Bewegungen entstehen, die Asylbewerberheime anzünden und Busse mit Flüchtlingen blockieren. Welche Gedanken und welche Ängste prägen so einen Menschen? Eine Frage, die ich mir bei sowas immer wieder stelle.

Und Vandam hat darauf eine Antwort: Es ist schlicht und einfach das eigene Versagen, das umso intensiver wird, umso mehr Menschen die Gesellschaft, in der Vandam sich ausruht, sich verändert. Immer wieder beruft er sich darauf, wie sehr sein Vater das Gelände dem Wald abgetrotzt hat und dass er in der Kneipe auf dem Platz sitzt, auf dem schon sein Vater saß - und auf dem der Sohn mal sitzen soll...

Ein fast schon verstörender Einblick in die Seele eines "Ich bin kein Nazi, aber..." Menschen...

In diesem Sinne

Eure Anke 

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